Fledermäuse

Quartierwahl

Quartiere erfüllen zahlreiche Funktionen für Fledermäuse. Bei den einheimischen Arten können sie Zuflucht im Sommer, insbesondere während der Jungenaufzucht, gewähren, oder sie dienen der sicheren Überwinterung oder der Paarung. Auch zum Verzehren der Beute während kurzer Jagdpausen werden Quartiere als nächtlicher Fraßplatz aufgesucht. Manche Fledermäuse nutzen einen bestimmten Quartiertyp nur während einer gewissen Jahreszeit oder reproduktiven Phase, während andere Fledermäuse gewisse Quartiertypen das gesamte Jahr verwenden. Der Großteil der Fledermäuse kann sich seine Quartiere nicht selbst bauen und ist damit auf bereits bestehende Strukturen angewiesen.

Felshöhlen

In Felshöhlen übertagen Gruppen von Fledermäusen, die von wenigen Tieren bis zu Großgruppen mit 20 Millionen Tiere reichen können. Meist leben in diesen Quartieren auch mehrere Arten nebeneinander. Mit der Nutzung von Höhlen sind sowohl Vor- wie auch Nachteile verbunden. Zu den Vorteilen zählen die stabile Temperatur und die hohe Luftfeuchtigkeit. Dieses Höhlenklima hilft den Fledermäusen, Energie zu sparen und Austrocknung zu vermeiden. Außerdem können sich viele Räuber aufgrund der vorherrschenden Dunkelheit nicht in der Höhle zurechtfinden. Allerdings findet man in den Höhlen auch eine hohe Zahl von Parasiten und Krankheitserregern, welche auf die dort lebenden Fledermäuse spezialisiert sind. Weitere Nachteile, besonders bei großen Fledermausansammlungen können sich aus der Konkurrenz um Nahrung ergeben, da zumindest die Individuen, die zur selben Art gehören, um dieselbe Nahrung konkurrieren und sich auch nur begrenzt weiträumig verteilen können. Gerade in den Tropen, in denen Felshöhlen das ganze Jahr von Fledermäusen genutzt werden, haben sich manche Räuber auf diese Quartiere regelrecht spezialisiert. Greifvögel wie der Fledermausaar (Macheiramphus alcinus) zum Beispiel warten häufig vor der Höhle auf den abendlichen Ausflug der Fledermäuse. Im Inneren finden sich Schlangen, die mit speziellen Wärmeorganen erkennen, wann eine Fledermaus an ihnen vorbeifliegt. In Mittel- und Nordeuropa sind Höhlen dagegen meist zu kalt, um als Sommerquartier zu dienen. Hier werden sie vor allem als Winterquartier für den Winterschlaf genutzt. Bereits im Mittelmeergebiet werden Höhlen allerdings auch im Sommer zur Jungenaufzucht genutzt. Neben Höhlen werden von einigen Fledermausarten auch Felsspalten als Quartier bevorzugt.

Bäume und Baumhöhlen

Baumhöhlen sind ein besonders weit verbreiteter Tagesquartiertyp, der sowohl in den gemäßigten Breiten wie auch in den Subtropen und Tropen von Fledermäusen gerne genutzt wird. Besonders in Gebieten, wo keine Felshöhlen zu finden sind, weichen auch einige Arten, die sonst Felshöhlen als Tagesquartier wählen, auf Baumhöhlen aus. Diese Baumhöhlen sind allerdings in ihrer Größe beschränkt und somit in der Regel nur für kleinere Gruppen von Fledermäusen geeignet. Immerhin können aus hohlen Bäumen in manchen Regionen der Welt aber mehrere tausend Tiere ausfliegen.

Neben den typischen Baumhöhlen, wie sie durch Fäulnis entstehen oder von Spechten angefertigt werden, nutzen Fledermäuse aber auch eine Vielzahl von anderen Quartiermöglichkeiten an Bäumen. So werden auch vielfach Spalten und Risse von Fledermäusen besetzt. Die Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus), die auch in Deutschland vorkommt, nutzt z.B. abstehende Rinde, um tagsüber dort zu schlafen. Ungewöhnliche Baumquartiere werden von Fledermäusen in der Familie der neuweltlichen Sackflügelfledermäuse gewählt: sie übertagen sehr exponiert, indem sie sich an die Rinde von Bäumen hängen.

Blattstrukturen/Äste

Besonders Flughunde übertagen häufig in Baumkronen und hängen dabei an Ästen. Noch vor wenigen Jahrzehnten gab es in Afrika sehr große Ansammlungen von Flughunden, deren Untergruppen mit mehr als 30 Millionen Tiere auf Gebieten von über 13 km2 zu finden waren. Aufgrund des Verlustes von Lebensraum und der gezielten Tötung der Tiere (zur Gewinnung von Fleisch oder zum Schutz von Obstplantagen) ging die Zahl dieser Tiere aber stetig zurück. Die größten heute noch vorkommenden Ansammlungen kann man in Sambia finden, wo ungefähr acht Millionen Palmenflughunde zusammenkommen, um wildwachsende Früchte zu fressen. In den gemäßigten Breiten ist das Übertagen in Blattstrukturen und an Ästen auf wenige nordamerikanische Arten beschränkt.

In den Tropen haben einige Fledermäuse eine andere Art von Pflanzenquartier gefunden. Sie schlafen in sich neu entwickelnden, als Röhre gedrehten Blättern z.B. von Bananen-, Ingwerpflanzen oder Helikonien. Manche dieser Fledermäuse weisen saugnapfähnliche Haftstrukturen an den Handgelenken und den Füßen auf, mit deren Hilfe sie sich an den glatten Oberflächen der gedrehten Blätter anhaften und darin fortbewegen können (z.B. die Madagassische Haftscheibenfledermaus Myzopoda aurita). Der Nachteil dieser Quartiere liegt in ihrer Kurzlebigkeit. Die amerikanischen Haftscheibenfledermäuse (Thyroptera tricolor) beispielsweise müssen jeden Tag ein neues Quartier finden, da die von ihnen genutzten Blätter sich innerhalb weniger Stunden entfalten und somit nicht mehr als Quartier zur Verfügung stehen.

Etwas langlebiger sind die zeltähnlichen Quartiere, die sich 19 tropische Fledermausarten selbst bauen. Dazu nagen sie große Blätter, z.B. von Helikonien oder Palmen an, wodurch Blattteile nach unten klappen, worunter die Fledermäuse dann Schutz finden.

Eine ungewöhnliche Art von Tagesquartier kann man auch bei der Hardwicke-Wollfledermaus (Kerivoula hardwickii) auf der Insel Borneo finden. Neben gedrehten Blättern übertagen diese Fledermäuse in den kannenförmigen Fangorganen von mehreren fleischfressenden Kannenpflanzen ohne Gefahr zu laufen, von diesen verdaut zu werden.

Gebäude

Ein in Bezug auf die Evolution der Fledermäuse sehr junges Phänomen ist die Besiedelung von menschlichen Behausungen. Die meisten der Fledermäuse, die Gebäude als Tagesquartier nutzen, übertagten ursprünglich in Felshöhlen und Felsspalten. Einige von ihnen konnten durch die Nutzung von Gebäuden ihr Verbreitungsgebiet deutlich vergrößern. Daher gehören Fledermäuse zu den Wirbeltieren, die am engsten mit Menschen zusammenleben und von ihren Gebäuden profitieren. Dieses Phänomen ist sowohl in den gemäßigten Breiten als auch in tropischen Regionen verbreitet. Gerne besiedeln Fledermäuse wie das Große Mausohr (Myotis myotis) Dachböden von Häusern und Kirchen sowie Scheunen und anderen Gebäuden. Hier können die Tiere Wochenstubenverbände (= Ansammlungen von weiblichen Fledermäusen, die zusammen ihre Jungtiere gebären und aufziehen) von mehreren hundert Tieren bilden, wodurch manchmal auch Konflikte mit den menschlichen Bewohnern dieser Gebäude entstehen, z.B. weil der Urin und Kot der Tiere als störend empfunden werden. Einige Kirchengemeinden haben jedoch erkannt, wie gewinnbringend gerade diese Fledermaus-Hinterlassenschaften sein können und verkaufen mittlerweile den Kot der Tiere als nährstoffreichen Blumendünger. Die Übertragung von Krankheiten auf den Menschen ist in Europa durch das Zusammenleben mit Fledermäusen unter einem Dach nicht zu befürchten. Nur durch Berührung und einen daraus resultierenden Biss kann z.B. Tollwut übertragen werden (siehe: Was tun, wenn man eine Fledermaus findet?).

Andere Quartiere

Einige wenige Fledermausarten übertagen in Ameisen- und Termitennestern, welche an Bäumen angebracht sind. Manche dieser Fledermausarten wie z.B. Lophostoma silvicolum graben sich selbst Gänge in diese Nester, in welchen sie dann mit einer Gruppe von Artgenossen leben (Abbildung 11). Im Norden Australiens kommt das Papua-Trompetenohr (Phoniscus papuensis) vor. Diese kleine Fledermaus lebt in Vogelnestern, welche sie zu diesem Zweck entsprechend umbauen.

Quartierwechsel

Viele z.B. in Höhlen und auf Dachböden lebende Fledermausarten weisen eine ausgesprochen hohe Quartiertreue auf. Dies haben Langzeitstudien ergeben, für welche die Tiere mit Ringen oder Tiertranspondern (kleinen Microchips) ausgestattet worden sind.

Gerade Arten, die Baumhöhlen oder Spaltenquartiere bewohnen, wechseln dagegen ihre Quartiere häufig in regelmäßigen Abständen. Nach einiger Zeit ist es möglich, dass die Tiere aber auch wieder zu diesen Quartieren zurückkommen. Gründe für den regelmäßigen Quartierwechsel finden sich unter anderem in den unterschiedlichen Temperaturbedingungen, welche in den verschiedenen Quartieren herrschen. Da die Tiere je nach Jahreszeit und ihrer Nahrungssituation unterschiedliche Temperaturen brauchen, um möglichst viel Energie sparen zu können und um eine optimale Entwicklung ihrer Jungtiere zu gewährleisten, wählen die Fledermäuse ihre Quartiere vermutlich täglich nach den jeweiligen Temperaturansprüchen aus. Der regelmäßige Quartierwechsel erlaubt den Tieren zudem, lästige Parasiten loszuwerden. Manche dieser Parasiten, z.B. Fledermausfliegen, Flöhe und blutsaugende Wanzen, sind auf das Quartier von Fledermäusen angewiesen, um dort einen Teil ihres Entwicklungszyklus zu durchlaufen. So legen manche Parasiten ihre Eier, Larven oder Puppen in das Fledermausquartier. Sobald die Parasiten sich entwickelt haben, versuchen sie, wieder in Berührung mit den Fledermäusen zu kommen und diese zu parasitieren. Ein Quartierwechsel und eine zeitweilige Meidung der bereits genutzten Quartiere kann es den Fledermäusen ermöglichen, diese Parasiten loszuwerden. Besonders häufig sind Quartierwechsel auch zu beobachten, sobald die Jungtiere flügge geworden sind. Es wird vermutet, dass Mütter die Jungtiere mit vielen Quartieren vertraut machen.

Die Quartierwechsel führen bei einigen Arten auch dazu, dass sich die Fledermauskolonien regelmäßig in verschiedene Quartiere aufspalten, um später wieder in einem gemeinsamen Quartier zusammen zu finden. Dieses Verhalten wird als „Fission-Fusion“ bezeichnet. Bei der Aufspaltung variieren die Untergruppen oft stark in ihrer individuellen Zusammensetzung. Es wird vermutet, dass diese Gruppenaufspaltungen Teil des Prozesses sind, aus dem gelegentlich neue Fledermauskolonien hervorgehen, die sich dann nicht mehr als gemeinsame Gruppe zusammenfinden.